Netzneutralität FDP-Abgeordnete stellen sich gegen Datenmaut

Spezielle Zugangsgebühren für Netflix & Co. würden die Netzneutralität beschädigen und den Markt verzerren, warnt die FDP-Bundestagsfraktion in einem Positionspapier. Der Forderung großer Netzbetreiber erteilen die Abgeordneten eine klare Absage.

Gesonderte Zugangsgebühren für ausgewählte Online-Dienste würden die Netzneutralität untergraben, warnt ein FDP-Positionspapier. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Foto: Lars Kienle, Bearbeitung: netzpolitik.org

Die FDP-Bundestagsfraktion will von einer Datenmaut für große Online-Dienste nichts wissen. Es liege kein Finanzierungsproblem vor, welches Netzentgelte rechtfertigen würde, heißt es in einem aktuellen Positionspapier der Regierungspartei. Zugleich würden solche Aufschläge die Netzneutralität und die Medienvielfalt gefährden, zu nicht unerheblichen Rechtsunsicherheiten und Marktverzerrungen führen sowie zumindest teilweise von den Endnutzer:innen bezahlt.

„Erfahrungen aus anderen Ländern haben gezeigt, dass solche Gebühren keinen positiven Einfluss auf den Netzausbau haben, sondern sich negativ auf die Medienqualität und -vielfalt auswirken“, sagt der FDP-Abgeordnete Maximilian Funke-Kaiser in einer Stellungnahme. Damit spielt er auf Südkorea an. Dort habe eine ähnliche Regelung zu einem Rückgang der Vielfalt von Online-Inhalten, zu sinkender Qualität für Endnutzer:innen, geringeren Investitionen in die Netzinfrastruktur und einer reduzierten Internetgeschwindigkeit geführt, wie das FDP-Papier ausführt.

Vor allem große Ex-Monopolisten wie Telekom Deutschland oder das französische Orange drängen seit mehr als einem Jahr die EU-Kommission dazu, erfolgreiche Online-Dienste wie Netflix oder YouTube gesondert zur Kasse zu bitten. Für die Auslieferung ihrer Daten an europäische Endnutzer:innen sollen die sogenannten Over-The-Top-Dienste (OTT) extra bezahlen, um damit den Breitbandausbau in der EU mitzufinanzieren. Mit dem französischen EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat die Branche einen Fürsprecher in Brüssel gefunden, der jüngst eine Konsultation zu dem umstrittenen Vorhaben gestartet hat.

Skepsis in Deutschland

Die deutsche Politik steht dem Projekt hingegen skeptisch gegenüber. Schon im Sommer des Vorjahres hatte die Bundesregierung, gemeinsam mit sechs anderen EU-Ländern wie den Niederlanden und Schweden, in einem Brief an die EU-Kommission vor einem überhasteten Gesetzesvorschlag gewarnt. Inzwischen spricht sich das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) klar gegen eine solche „Zwangsabgabe“ aus. Auch aus allen anderen Bundestagsfraktionen hagelt es Kritik, zeigte sich letzte Woche bei einer Anhörung im Digitalausschuss.

In ihrem Positionspapier untermauert die FDP nun ihre ablehnende Haltung. So würde nicht allein „Big Tech“ den hohen Datenverkehr erzeugen, über den die Netzbetreiber klagen. Stattdessen wären es auch die Nutzer:innen, die populäre Inhalte im Internet nachfragen und dafür bereits bezahlen würden: „Eben jene kompensieren ISPs (Internet Service Provider, Englisch für Netzbetreiber) bereits für die Bereitstellung der Netzinfrastruktur mittels ihrer monatlichen Beiträge“.

Zugangsgebühren für OTTs würden bloß einen zweiseitigen Markt für Netzbetreiber schaffen. Die Kosten dafür würden wohl zumindest teilweise auf die Endnutzer:innen umgelegt werden, heißt es in dem Papier. „Gerade jetzt ist nicht die Zeit für zusätzliche Belastungen“, sagt die FDP-Abgeordnete Katja Adler in einer Stellungnahme. Verbraucher:innen hätten ohnehin schon mit massiven Preissteigerungen zu kämpfen. Zudem könnten Zugangsgebühren zu einer Diskriminierung von Datenpaketen einzelner Inhalteanbieter führen und somit potenziell die Netzneutralität gefährden, so Adler.

Geld ist genug vorhanden

Das Hauptargument der Ex-Monopolisten, so zusätzliche Mittel für den Netzausbau zu erhalten, lässt die FDP-Fraktion nicht gelten. Aktuell stellt die Branche in Aussicht, allein in Deutschland rund 50 Milliarden Euro für den Ausbau in die Hand nehmen zu wollen. Auch aus staatlichen Fördertöpfen fließen in den kommenden Jahren Milliardenbeträge in die Modernisierung der Infrastruktur.

Geldmangel sei also nicht der limitierende Faktor, sondern vor allem mangelnde Baukapazitäten sowie langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren, so die FDP-Abgeordneten. Zumindest an letzterer Stellschraube will die Bundesregierung laut ihrer Gigabitstrategie drehen, um den Ausbau schneller zu machen.

Mit ihrer Forderung nach Zugangsgebühren könnten sich die Netzbetreiber zudem ins eigene Knie schießen, warnt die FDP. Würden Inhalte-Anbieter die Netzwerknutzungsgebühr nicht auf die Verbraucher:innen umlegen, so blieben weniger Mittel für die Produktion und Vermarktung der Inhalte, schreiben die Abgeordneten. Die Folge wäre ein Rückgang der Medienqualität und Medienvielfalt, was wiederum die Breitband-Produkte der Internetzugangsanbieter weniger attraktiv machen würde.

Außerdem würde die Netzneutralität unweigerlich Schaden nehmen. Derzeit geltende EU-Regeln verlangen die diskriminierungsfreie Übertragung von Daten, was mit einer Datenmaut hinfällig würde. „Eine Netzwerknutzungsgebühr könnte in der Praxis dazu führen, dass Nutzern die Inanspruchnahme von Anwendungen der OTTs, die die Abgabe einer Netzwerknutzungsgebühr verweigerten, erschwert würde“, führt das Papier aus.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

0 Ergänzungen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.